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Seine Wohnung in Finsterlohr ist fast ein Leuchten-Museum. Unser Bild zeigt WIlly Kammleiter mit einem fertigen Lichtobjekt - der Gitarrenhals besteht aus einem herrlich gekrümmt gewachsenen Stück Fichtenholz - und mit einem Objekt in Arbeit.
| Vom Objekt zur politischen Aussage
Von unserer Mitarbeiterin Inge Braune
FINSTERLOHR – In seiner Web-Adresse heißt er Kammlighter: Es geht ums Licht, um Lichtkunst. Im ganz normalen Leben heißt er Willy Kammleiter. Kammleiter, Jahrgang 1959, stammt aus Finsterlohr. Da kommt er her, da lebt er und da will er bleiben.
Vor knapp zwanzig Jahren beschloss er, im Heimatort ein Haus zu bauen. Als die Einrichtung anstand, fand er nicht die Sorte Lampen, die er sich wünschte – für den Elektriker und Werkzeugmacher schlicht nicht hinnehmbar. Er griff zum Werkzeug, baute seine Lampen selbst. Am Anfang zeigten die Objekte noch Ähnlichkeit mit den Entwürfen der Designer. Sie waren streng, grafisch kühl, in paralleler Schnittführung bearbeitet, zeigten geometrische Muster – Schnitte,
durch die das Licht faszinierende Schattenrisse an Wände malt.
Am Anfang: Schnell wurde mehr daraus, vereinigte sich Spiel- und Sammelfreude mit wachsendem Bedürfnis, über die rein ästhetische Gestaltung hinauszugehen. Kunst, besonders zeitgenössische in vielen Variationen, war da schon lange Hobby. Als Autodidakt führte Kammleiter handwerkliches Können und Aussage zusammen, entwickelte eine ganz eigene Formensprache.
Auf den ersten Blick ist Kammleiter Nostalgiker: Auf Floh- und Antikmärkten sammelte er alte Kupferkannen und Bettflaschen, Konfektschälchen, Handräder, Schrauben, Zierutensilien aus Haushalten, Kupferröhren.
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"Schmetterlingsfrau": Das Objekt ist derzeit im Creglinger Romschlössle zu sehen. |
Auf den zweiten Blick ist er Naturfreund: In Wäldern, an Feldwegen und Ständen stöbert er Federn, Steine, bizarr gewachsene Äste, Strandgut auf. Natürlich kennt er sich mit Metallen aus: Kupfer, Alu und Messing nutzt er gern. Sie sind weich, schneidbar, mit kleiner Flamme lötbar. Und dann ist Kammleiter auf den dritten, den vierten Blick ein Freund farbig gebrochenen, gefilterten Lichts, scheint inspiriert von orientalischen Wunderlampen, von gotisch-bunten Kirchenfenstern, von Dämmerung mit Leuchtakzenten.
Buntes Tiffany-Glas und Achatscheiben filtern das Licht, setzen Leuchtzeichen, Farbakzente, erhöhen durch die Farbkraft noch die Wärme des Lichts, die etwa Kupfer und Messing schaffen. Wo Kammleiters Lampen Akzente setzen, lässt sich das Denken leicht in andere Welten entführen. Unmittelbar entstehen fast meditative Assoziationen, schwingt ein Hauch Lagerfeuernacht durch den Raum.
Dann schaut man weiter, entdeckt in Kammleiters Lichtobjekten scheinbar die Übersetzung von Techniken und Stilmitteln weltweiter Ethno-Kunst ins Weichmetall. Die Punktmalerei australischer Ureinwohner scheint er zu zitieren. Das sei, erklärt er, nur ein Schein: Kammleiter nutzt gern auch Lochbleche.
Dennoch: Australien ist für ihn Traumland, entdeckt zunächst durch Auswanderer aus der Region, die immer mal wieder Heimatbesuche im Tauberlang machten. Das führte zu gegenseitigen Besuchen, verlockte Kammleiter zum
halbjährigen Aufenthalt, den er durch diverse Jobs finanzierte, teilweise in den erlernten Berufen, teilweise bei privaten Gelegenheitsjobs, teilweise in Fabriken. Mittwoch war „Pay-Day“ – mit Lohntüte, erinnert er sich.
Auch, wenn Kammleiter nicht bewusst zitiert, prägten die Begegnung mit den Menschen in Australien, das Naturerleben in den Outbacks, Kontakte mit der Kultur der Aborigines auch Denken, Fühlen und später vermutlich auch die Formensprache.
Kammleiter selbst führt die Verwandtschaft zu Ausdrucksweisen von Naturvölkern eher darauf zurück, dass er seine Kunst aus der Praxis entwickelte – so hätten die doch wohl auch angefangen, meint er. Häufig findet sich in seiner Formsprache die Spirale, die Gegensätze zusammenführt: Klein, groß, innen, außen. Für ihn ist die Spirale Symbol beständiger Veränderung, Drehung, Bewegung – auch ein kosmisches Element. Sonne, Mond, Sterne gehören in seine Symbolwelt, die Feder als Zeichen von Leichtigkeit, elastischer Stärke, der Sehnsucht nach Weite, von Wind, Sanden und Wasser ausgelaugte, gestaltete Hölzer und Steine dokumentieren Zeitverlauf, Wandel durch Begegnung.
Vom der anfänglichen Anlehnung an Designentwicklungen über den kreativen, von fast kindlicher Spielfreude geprägten Umgang mit auf Flohmärkten entdeckten „Alreadymade“-Vorformen hat sich der Autodidakt zum veritablen Künstler entwickelt, dem die
Aussage zunehmend wichtiger wird, ohne dass seine Objekte an Leichtigkeit einbüßen.
Ein Beispiel dafür ist etwa noch bis zum Creglinger Pferdemarkt im Rahmen der Ausstellung im Romschlössle zu bewundernde Weltreligionen-Leuchter. Die Aussage des mit lang baumelnden Neonröhren in fünf Farben bestückten Leuchters, die jeweils mit Symbolen der Religionen bestückt sind und ein von Wind und Wellengang geschliffenes Holz umgeben, lautet: „Gottes Licht leuchtet in vielen Farben.“ Hier ist auch die „Schmetterlingsfrau“ zu sehen, das erste figürliche Leuchtobjekt, das Kammleiter gestaltet hat: ein Frauentorso mit Schmetterlingsflügeln. Zu sehen ist hier auch eine Leuchte, die die Auseinandersetzung mit dem Dichter Hermann Hesse und seinem Stufengedicht dokumentiert. Ein Lichtbaum wächst aus einer alten Schreibmaschine.
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Politisches Statement: " Geist ist geil" Bilder: Inge Braune
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Nicht dort ausgestellt ist das Lichtobjekt „Geist ist geil“ – ebenfalls ein politisch kommentierende Objekt, das einerseits hiesige Geiz-Werbung, andererseits die Gesetzmäßigkeiten von auf Gewinnmaximierung ausgerichteter Globalisierung thematisiert. Da zitieren vergrößert herausgearbeitete Symbolgeldstücke - das alte 50-Pfennig-Stück und die chinesische Drachenmünze -Wertsymbole für einerseits langsames, natürliches Wachstum, andererseits verschlingende Aneignung. Um beide Elemente zieht sich eine Kette eingeschlagener Nägel. Die Nagelköpfe sind Münzen aus Deutschland und China.
Nicht alle politischen Arbeiten hat Kammleiter auch fertiggestellt: Manches geriet dem Ästheten unter den Händen so hässlich, dass er einfach aufhören musste. Eigentlich gehe es ihm um zwar klare, aber eben auch schöne Signale, um positive Botschaften, sagt der Lichtobjektkünstler.
Die sind derzeit auch noch in der Rothenburger Ausstellung im „Café Wunderbar“ zu erleben, die noch bis zum Dreikönigstag läuft. Im Spätsommer ist eine Gemeinschaftsausstellung im Kulturforum Bad Mergentheim geplant.
ibra |